Seit langem war ich mal wieder im Theater. Freunde hatten das Stück „Abend über Potsdam“ im Hans Otto Theater in Potsdam ausgesucht. Das wäre nicht meine erste Wahl gewesen. Erzählt wird die fiktive Entstehungsgeschichte des real existierenden Gemäldes „Abend über Potsdam“, das in der Berliner Nationalgalerie hängt – gemalt 1929/30. Ich habe während des Studiums so viel Literatur über den Nationalsozialismus gelesen, dass ich das Gefühl hatte, gesättigt von dem Thema zu sein. Trotzdem hat mich das Stück schnell eingefangen. Es gab keine überraschenden Handlungen – wir alle kennen den Verlauf der Geschichte. Spannender fand ich die Künstlergeschichte. Ein Werk entsteht, die Künstlerin arbeitet, zweifelt, verzweifelt beinahe an den Entwicklungen um sie herum und doch vollendet sie ihr Werk.

Theater-Stück Abend über Potsdam

Gemälde „Abend über Potsdam“ in der Nationalgalerie

Die Handlung beginnt im September 1929. Die Berliner Malerin Lotte Laserstein versammelt fünf Menschen auf einer Terrasse über den Dächern von Potsdam. Sie sitzen an einem langen Tisch zum „Abendmahl“. Während das Bild entsteht, verschärft sich die politische Lage in Deutschland. Die Monate vergehen. Am Anfang der Szenen wird jeweils das Datum eingeblendet. Verschiedene Schwarz-Weiß-Videos mit dokumentarischen Filmmaterial aus diesen Jahren werden zum Ende der Szenen eingespielt.

Auch die fünf Modelle stehen exemplarisch für die Entwicklung der Zeit. Der arbeitslose Journalist, der beim Völkischen Beobachter anfängt und NSDAP-Mitglied wird. Das jüdische Mädchen, das ihre Identität am liebsten verleugnen würde. Das Nachbarmädchen, das beeinflusst von ihrem Freund, der SA-Mann ist, eine beängstigende Entwicklung zum überzeugten Nazi vollzieht. Nicht zuletzt das der Malerin eng vertraute Ehepaar. Der Mann Dramaturg – auch er ein Künstler, der versucht seine Kunst, die durch die politische Entwicklung immer stärker eingeengt wird, mit seinem Gewissen in Übereinkunft zu bringen. Seine Frau, die intime Freundin der Malerin, die sozusagen ihr kühler Kopf ist, wenn diese droht an ihren (Selbst)zweifeln zu zerbrechen.

Es war ein bewegender Theaterabend mit einem Stück, das sich am Ende doch sehr gelohnt hat zu sehen.